Eröffnung des Kongresses im Landtag

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt Anne-Marie Keding laden zur Eröffnung der Wanderausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“ ein. Die Ausstellungseröfnung, welche zugleich unser Kongressauftakt sein wird, findet im Landtag Sachsen-Anhalts (Domplatz 6-9, 39104 Magdeburg), Foyerecke des Ostflügels im Erdgeschoss statt. Der Veranstaltungsort ist barrierefrei und der Eintritt ist kostenfrei. Die Ausstellung wird im Anschluss vom 22. September bis 6. Oktober 2017 im Landtag Sachsen-Anhalts zu sehen sein.

Wir freuen uns, Sie schon am Freitag Abend begrüßen zu dürfen. Lassen Sie uns Ihre Anreise bitte im Anmeldeformular wissen!

Gemeinsames Abendessen

Um gemeinsam den ereignisreichen Tag ausklingen lassen zu können, haben wir einen großen Tisch in dem nahegelegenen „Ratskeller Magdeburg“ (Alter Markt 6, 39104 Magdeburg) reserviert. Es kann á la carte gegessen werden.

Workshop 9: Geschlechtliche Vielfalt in der Beratung und Bildungsarbeit – ein Praxisbericht aus Sachsen-Anhalt

Seit dem Jahr 2011 bietet das BBZ „lebensart“ in Halle (Saale) psycho-soziale Beratung für trans*- und intergeschlechtliche Menschen und deren Angehörige an. Unsere systemische Fachberatung ist Community-basiert und möchte Selbstbestimmung und Selbstermächtigung der Ratsuchenden fördern. Sie umfasst medizinische, rechtliche und psycho-soziale Aspekte. Von Jahr zu Jahr wird dieses Angebot immer häufiger in Anspruch genommen. Der Vortrag legt die Fragen und Probleme dar, die dabei im Mittelpunkt stehen und klärt, was „Lotsen durch das System“ bedeutet. Zudem werden die Arbeit unserer Gruppen sowie die Profilierung der Beratungs- und Unterstützungsangebote erläutert.

Im zweiten Teil des Vortrages steht die Bildungs- und Aufklärungsarbeit des BBZ „lebensart“ mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu geschlechtlicher Vielfalt im Fokus. Seit vielen Jahren thematisieren wir an Schulen und anderen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt die Varianten des biologischen und psycho-sozialen Geschlechts. Jährlich finden zwischen 60 und 80 Veranstaltungen zu geschlechtlich-sexueller Identität statt, bei denen auch transgeschlechtliche Menschen als Co-Moderator*innen mitwirken.

Nach einem Blick in die Rahmenbedingungen (Qualitätsstandards, Runderlass Sexualerziehung, Fachlehrpläne, Leitsätze Diversität) werden die Inhalte und Methoden bei den Veranstaltungen sowie unsere Erfahrungen mit unterschiedlichen Zielgruppen dargelegt.

Die Teilnehmenden des Kongresses können außerdem Anregungen für unsere Arbeit einbringen und Interesse an der Mitarbeit bekunden.

Workshop 8: Zwischen Lebenslust und Bioethik: körpergeschlechtliche Vielfalt und Inter*. Ein Bericht von unterwegs

Im Bereich körpergeschlechtlicher Vielfalt und für Inter* hat sich seit 2010 vieles bewegt. Die Erfahrungen der letzten Jahre und zahlreiche Neuentwicklungen zeigen aber auch: das Thema entzieht sich schlichten Antworten. Authentische Fragen sind hier nicht nur nach wie vor erlaubt. Sie sind auch weiterhin wichtig.

Der Vortrag entführt in ein vielschichtiges Spektrum der Potentiale. Er zeigt, dass selbstbestimmtes Leben mit zahllosen Möglichkeiten und vielen Variablen nicht nur möglich sein darf, sondern eigentlich zur Welt des Lebendigen gehört. In zugänglicher Sprache, teils sehr humorvoll, werden komplexe biologische Zusammenhänge dargestellt und wird von Erlebnissen sowie Projekten im In- und Ausland berichtet. Der Bezug bleibt dabei stets sehr konkret. Das ist auch an die persönliche Verkörperung und Kenntnis der Thematik gebunden.

Wichtige aktuelle Fragestellungen werden einbezogen, die vielerorts noch nie Eingang in die Diskurse fanden. Denn reproduktive Selbstbestimmung wirft auch völlig neue ethische Fragestellungen auf und lässt ein immenses Potential an möglichem, auch rechtlichem Konfliktstoff erahnen. Die Merkmale der Tragödie und der Komödie sind hier im Sinne einer Tragikomödie bestens miteinander verknüpft. Und derweil Menschenrechts- wie Inter*Selbstorganisationen vorwiegend für Operations-Stopp bzw. Operations-Aufschub, mehr Selbstbestimmung, eine medizinethische Aufarbeitung der persönlichen Geschichten aktiv sind, entwickelt sich das Feld der medizinischen Biotechnologien, auch der Pränataldiagnostik mit rasanter Geschwindigkeit. Neue Entwicklungen in Reproduktionsmedizin und Biotechnologie sind wichtige Aspekte, um Menschen Selbstbestimmung oder Selbstversorgung zu ermöglichen. Neue Biotechnologie kann aber auch ein besonderes Hindernis darstellen.

Aktuelle Antworten aus den Lebenswissenschaften können Empowerment befördern, indem fremdbestimmte (biologische) Definitionen und tradierte Ausschlüsse hinterfragt werden. Diese können sich durch dynamischere Variablen ersetzen lassen.

Die anschliessende Diskussion bietet viel Raum, um ins Gespräch zu kommen.

Workshop 7: Ansätze für eine affirmative therapeutische Arbeit mit Trans*Personen und Ihren Angehörigen – Vortrag mit anschließender Diskussion

In der Psychotherapie haben gendernonkonforme, genderqueere und transgeschlechtliche – kurz trans*Behandlungssuchende – aufgrund ihrer gesellschaftlichen Positionierung, spezifische Versorgungsbedürfnisse. Damit erfordert die psychotherapeutische Begleitung dieser Menschen ein Wissen hinsichtlich rechtlicher, psychosozialer und medizinischer Umgangsweisen mit dem Thema, Selbstreflexion der Psychotherapeut*innen hinsichtlich der Bedeutung von Geschlecht und Möglichkeiten der Geschlechtspräsentation, sowie eine therapeutische Beziehungsgestaltung, in der die Psychotherapeut*innen bereit sind, sich auf Unsicherheiten einzulassen und scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen oder in Frage stellen zu lassen. In diesem Vortrag möchte Mari Günther auf die aktuellen Veränderungen des medizinischen und rechtlichen Umgangs hinweisen, sich zur Bedeutung und Tragweite von Selbstreflexion in einer therapeutischen Position äußern und Anregungen für die therapeutische Beziehungsgestaltung geben.

Psychotherapeutisch sowie systemisch therapeutisch und beraterisch tätige Kolleg*innen können Anregungen für die eigene Arbeit gewinnen. Therapiesuchende können ein selbstbewusstes Formulieren ihrer therapeutischer Bedarfe reflektieren. Insgesamt soll zu einer Beziehungsgestaltung in therapeutischen Prozessen eingeladen werden, die von gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Gestaltungsprozessen geprägt ist.

Mittagspause

Zudem befinden sich Infostände von verschiedenen Vereinen auf dem 1. Obergeschoss des Veranstaltungsgebäudes 40 bei den Workshopräumen.

Workshop 6: Inter* als soziale Kategorie: Zur Notwendigkeit der Reflexion konkreter körperlicher Materie für eine fleshier queer theory.

Dr.in Anja Gregor wird den Verlauf und die Ergebnisse der Biographieforschung mit inter* Menschen vor- und zur Diskussion stellen, die im Rahmen Anja Gregors Dissertation („Constructing Intersex. Intergeschlechtlichkeit als soziale Kategorie) durchgeführt wurde. Anja Gregor hat nach einer Freigabe der Interviews durch die Befragten im Verlaufe der Forschung wiederholt Rückmeldungen zur Interpretation des Materials aus inter* Perspektive eingeholt. Diese Forschung versteht sich damit nicht nur als Beitrag zu einem ‚medizinkritischen Gegendiskurs‘ (Zehnder 2010), sondern wurde als solidarische Forschung (Mecheril) mit dem Anspruch durchgeführt, das Material nicht wiederum ‚auf dem sterilen Seziertisch der Sozialforschung‘ auszuwerten, sondern die Ergebnisse im Dialog mit dem beforschten Feld zu überprüfen.

Inter* wird, entlang der Interviews als untrennbar mit der Entwicklung und Wahrnehmung des eigenen Körpers verbunden, rekonstruiert. Die Auswirkungen der medizinischen Zurichtung von Körpern entlang geltender Geschlechternormen weisen über die rein sprachliche Ebene hinaus und machen den versehrten Körper als Produkt vergeschlechtlichter Normen sicht- und spürbar. Schmerzen, Angst, Sprachlosigkeit und die traumatisierende Dimension des Erlebten bahnen sich ihren Weg in die Erzählung, ohne wortwörtlich erzählbar zu sein.

Die Interviews dokumentieren aber nicht nur die Enteignung des inter* Körpers im Zuge medizinischer Zugriffe und Zurichtungen, sie weisen insbesondere Möglichkeiten der Emanzipation und Wiederaneignung der Selbstbestimmung aus. Anja Gregor hat deshalb am Material entlang ein Modell der inter* Emanzipation von medizinischer Kontrolle und Disziplinierung entworfen, das nach der Erläuterung des Vorgehens und des Verlaufs der Studie zur Diskussion gestellt wird. Zudem wird aus wissenschaftskritischer Perspektive für die Notwendigkeit der theoretischen Reflexion des Körpers argumentiert, um so mit einer ‚fleshier queer theory‘ Inter* in seiner Eigenschaft als sozial äußerst relevante Kategorie gerecht zu werden.

Workshop 5: transsexuell gegen trans* – warum gibt es in der Trans-Szene so viel Streit?

Wer länger in der deutschsprachigen Trans-Szene unterwegs ist, hat sicher schon erlebt, dass immer mal unvermittelt ein Streit über bestimmte Begriffe oder Formulierungen ausbricht. Die Referent*in möchte im Vortrag vor allem die zwei Strömungen „transsexuell“ und „trans*“ beschreiben und anhand von Beispielen die Unterschiede in den Narrativen und Selbstkonzepten der beiden Begriffe herauszuarbeiten.

Anschließend soll hypothesenartig vorgestellt werden, wodurch diese Unterschiede entstehen und welche politischen Strategien sie bedienen, um in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen Akzeptanz zu erreichen.

In der Diskussion wird gemeinsam überlegt, wie dieser Ansatz genutzt werden kann, um existierende Konflikte in aktivistischen Kontexten zu verstehen und wie weitergedacht trotz vorhandener Unterschiede eine schlagkräftige politische Arbeit möglich sein kann.

Darüber hinaus können auch gern weitere Überlegungen angestellt werden, wie sich dieser Konflikt in anderssprachigen Trans*-Bewegungen zeigt und sich dort möglicherweise Unterschiede oder Parallelen finden lassen.

Workshop 4: Berichte aus der Trans*Beratungspraxis

Der Vortrag gibt anonymisiert Einblicke in den Alltag und in die Herausforderungen der Trans*Beratung im Dreieck Bremen – Hamburg – Berlin. Was sind typische Beratungsanfragen und wer sind die Ratsuchenden? Oft ist die Beratungsstelle für sie die erste offizielle Anlaufstation auf ihrem Weg: wie und wo geht es aktuell danach weiter und was braucht es darüber hinaus?

Die Trans*Recht-Beratung in Bremen gibt es seit dem Jahr 2013, als bislang deutschlandweit einziges kostenfreies, kombiniertes Angebot von Peerberatung und Rechtsberatung. Was sind typische Anfragen und Bedarfe und was sind konkrete Empowermentansätze in der psychosozialen und Rechts-Beratung?

Qualität in der Beratungspraxis ist unabdingbar: Wie kann Kooperation zwischen mehreren Beratungsstellen und (überregionale) Qualitätsicherung in der Trans*Beratungspraxis gelingen? Worin liegen die Stärken einer intensiven Vernetzung?

Workshop 3: Sexuelle Grenzverletzungen – (k)ein Thema im Kontext mit Intersexualität und Transsexualität?

Zwischen den Themenkomplexen sexueller Grenzverletzung einerseits und Intersexualität und Transsexualität andererseits wurden Parallelen und Überschneidungen bislang vorwiegend aus aktivistischen Kontexten ausgeklammert und selten thematisiert, zudem die Zahl akademischer Zugänge bislang recht übersichtlich ausfällt, zumindest im deutschen Sprachraum.

Auch wenn nur wenige Menschen von Intersexualität oder von Transsexualität betroffen sind, zeigen bisherige Veröffentlichungen und Schilderungen von Patienten, dass diese Personen ein deutlich höheres Risiko aufweisen, sexuelle Grenzverletzungen zu erleiden, als von der Gesamtbevölkerung anzunehmen ist. In Hinblick auf Menschenrechte und Minderheitenschutz ist es geboten – bislang aber selten erfolgt – diese Personengruppen mit zu berücksichtigen. Dies geschieht ebenso durch Fachkräfte, die bislang noch nicht mit solchen Personen betraut waren – oder einfach dieser Menschen noch nicht gewahr wurden.

Die Parallelen zwischen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlungsprogrammen früherer Jahrzehnte und ritualisierten Formen sexualisierten Missbrauchs sind erheblich, geradezu frappierend. Hinzu kommt der Umstand, daß die Betroffenen dadurch ein höheres Risiko für sexuelle Grenzverletzungen außerhalb der sanktionierten medizinisch-psychologischen Räume aufweisen. Letztlich scheuen sich die doppelt Betroffenen mehr als andere Menschen, nach Hilfe zu suchen, zumal auch Vereine und Beratungsstellen hinsichtlich sexualisierten Missbrauchs den Betroffenen oft nur beschränkte oder kompromisshafte Hilfsangebote anbieten. Summa summarum soll für mehr wechselseitiges Verständnis durch Austausch geworben und hierauf aufbauende Empfehlungen formuliert werden.