Noch immer erleben Inter*- und Trans*Menschen in Ihrem Lebensalltag vielfältige Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung. Sei es, dass sie von ihren Mitschüler*innen gehänselt werden, im Arbeitsleben vom Informationsfluss ihrer Kolleg*innen abgeschnitten sind oder Schwierigkeiten bei der Partner*innensuche fürchten müssen. All dies kann auch völlig anders verlaufen: Es wird nicht mehr differenziert, welches körperliche Geschlecht von der Umwelt als ‚eigentliches Geschlecht‘ antizipiert wird, sondern der Mensch wird so anerkannt, wie er es seinen Mitmenschen vermittelt. Die Menschen erkennen sich gegenseitig in ihrem Sein an!
In den letzten Jahren unternahm man viel für die Beschreitung dieses Weges. Es wurden von Inter*- und Trans*Menschen die verschiedensten Empowerment-Strukturen begründet, welche eine gute Arbeit leisten und ihren Tatendrang entfalten. Im Zuge dieser Entwicklungen rücken vermehrt Trans*- und Inter*Personen in unterschiedliche Gremien auf und können diese mit ihrer Sichtweise bereichern, wo zuvor nur über sie gesprochen und entschieden wurde. Und auch die Politik beginnt langsam, die auf sie zustrebenden Impulse aufzunehmen. In einigen deutschen Bundesländern wurden Landes-Aktionspläne in Zusammenarbeit mit Trans*Menschen entwickelt, um der vielgestaltigen Diskriminierung zukünftig gezielter entgegen zu wirken. Ebenso wurden bundesweite Programme gegen Homo-, Trans*- und Inter*Feindlichkeit gestartet.
Diese gesellschaftlichen Wandlungsprozesse wollen wir zum Anlass nehmen, auf unserem nächsten Kongresses in Magdeburg eine Gegenwartsdiagnose in aller Differenziertheit darzustellen.
Wir möchten Sie einladen mit Beteiligten aus der Community, Fachkräften und Wissenschaftler*innen ins Gespräch zu kommen, zu diskutieren und verschiedenste Lösungsansätze weiter zu ermöglichen.
Anmeldung ab 7:30 Uhr möglich
Morgenbegrüßung ab 8:00 Uhr.
Workshop 1: Erkenntnisse aus Studien zur Situation transidenter Kinder und Jugendlicher und wie die Landeshauptstadt Magdeburg damit umgeht
Im Jahr 2014 veröffentlichte das KgKJH unter dem Titel „unsicher.klar.selbstbestimmt“ die Erkenntnisse einer Studie, die die Lebenssituation transidenter Kinder und Jugendlicher in Sachsen-Anhalt qualitativ erforschte. Durch die Landeshauptstadt Magdeburg beauftragt, erfolgte anschließend (Frühsommer 2015) durch das KgKJH eine mehrmonatige schriftliche Befragung von Eltern und Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe, in der es um Einstellungen, vorhandenes Wissen und die subjektive Einschätzung der Situation von lesbischen, schwulen und transidenten Kindern und Jugendlichen ging.
Dr.in Kerstin Schumann und Judith Linde-Kleiner werden die Erkenntnisse beider Studien und die daraus abgeleiteten Handlungsstrategien der Landeshauptstadt vorstellen und diskutieren.
Der Beitrag gliedert sich in fünf Teile:
1. Kurzvorstellung des KgKJH als landesweit agierende Genderfachstelle (Schumann)
2. Darstellung einiger Erkenntnisse der Studie „unsicher.klar.selbstbestimmt“ (Linde-Kleiner)
3. Präsentation ausgewählter Ergebnisse der Fachkräfte- und Elternbefragung in der Landeshauptstadt Magdeburg (Schumann)
4. Vorstellung der Aktivitäten der Stadt (Linde-Kleiner)
5. Diskussion
Dr.in Kerstin Schumann Geschäftsführerin des KgKJH Mitautorin der Studie "unsicher.klar.selbstbestimmt“ Verfasserin des Berichts der Fachkräfte- und Elternbefragung in der Stadt Magdeburg
Workshop 2: Umgang mit transsexuellen Menschen in der Pflege
In der Pflege hat sich trotz aller Veränderungen in der Gesellschaft immer noch kein unvoreingenommener Umgang mit Geschlecht (und Sexualität) entwickelt. Trotz eines hohen Anspruchs an eine „ganzheitliche Versorgung“ der Patient*innen, ist nicht klar, was das an,sich beinhaltet. Pflegekräfte sollen kompetent sein und sich in andere Menschen einfühlen können. Sie sollen die Wünsche der Patient*innen erfüllen und den Anforderungen der Ärzteschaft und anderer Berufsgruppen gerecht werden.
Das Modell der Lebensaktivitäten (LA) hat sich als grundlegendes Arbeitsinstrument in der Pflege in verschiedenen Varianten etabliert. Unter diesen ist die LA „Seine Geschlechtlichkeit leben“ bei Roper, Tiemey und Logan zu finden, unter der sich auch ein kurzer Erklärungsansatz zu Transsexualität findet. Einen Ansatz zum Umgang mit transsexuellen Menschen in der ambulanten oder klinischen Versorgung, zur Lebenssituation oder zu Transitionsphasen fehlen vollständig. Pflegende lernen während ihrer Ausbildung entweder nichts zu diesem Thema oder sind nur am Rande davon berührt. Dementsprechend stellt sich die Situation von transsexuellen Menschen dar, die einer ambulanten oder stationären Behandlung bedürfen. Neben den elektiven Eingriffen ist hier die Notfallversorgung von besonderer Bedeutung und muss dringend in den Fokus von der Pflege (und auch der Medizin) gerückt werden, weil immer mehr transsexuelle Menschen frei leben, seitdem das Bundesverfassungsgericht 2011 das biologische Geschlecht vom juristischen getrennt hat.
In diesem Beitrag wird anhand von eigenem und fremden Erleben die Situation von transsexuellen Menschen bei der geplanten und Notfallbehandlung dargestellt und auf den dringend notwendigen Reformbedarf in der Ausbildung, als auch in der Fortbildung von Pflegekräften hingewiesen.
Workshop 3: Sexuelle Grenzverletzungen – (k)ein Thema im Kontext mit Intersexualität und Transsexualität?
Zwischen den Themenkomplexen sexueller Grenzverletzung einerseits und Intersexualität und Transsexualität andererseits wurden Parallelen und Überschneidungen bislang vorwiegend aus aktivistischen Kontexten ausgeklammert und selten thematisiert, zudem die Zahl akademischer Zugänge bislang recht übersichtlich ausfällt, zumindest im deutschen Sprachraum.
Auch wenn nur wenige Menschen von Intersexualität oder von Transsexualität betroffen sind, zeigen bisherige Veröffentlichungen und Schilderungen von Patienten, dass diese Personen ein deutlich höheres Risiko aufweisen, sexuelle Grenzverletzungen zu erleiden, als von der Gesamtbevölkerung anzunehmen ist. In Hinblick auf Menschenrechte und Minderheitenschutz ist es geboten – bislang aber selten erfolgt – diese Personengruppen mit zu berücksichtigen. Dies geschieht ebenso durch Fachkräfte, die bislang noch nicht mit solchen Personen betraut waren – oder einfach dieser Menschen noch nicht gewahr wurden.
Die Parallelen zwischen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlungsprogrammen früherer Jahrzehnte und ritualisierten Formen sexualisierten Missbrauchs sind erheblich, geradezu frappierend. Hinzu kommt der Umstand, daß die Betroffenen dadurch ein höheres Risiko für sexuelle Grenzverletzungen außerhalb der sanktionierten medizinisch-psychologischen Räume aufweisen. Letztlich scheuen sich die doppelt Betroffenen mehr als andere Menschen, nach Hilfe zu suchen, zumal auch Vereine und Beratungsstellen hinsichtlich sexualisierten Missbrauchs den Betroffenen oft nur beschränkte oder kompromisshafte Hilfsangebote anbieten. Summa summarum soll für mehr wechselseitiges Verständnis durch Austausch geworben und hierauf aufbauende Empfehlungen formuliert werden.
Workshop 4: Berichte aus der Trans*Beratungspraxis
Der Vortrag gibt anonymisiert Einblicke in den Alltag und in die Herausforderungen der Trans*Beratung im Dreieck Bremen – Hamburg – Berlin. Was sind typische Beratungsanfragen und wer sind die Ratsuchenden? Oft ist die Beratungsstelle für sie die erste offizielle Anlaufstation auf ihrem Weg: wie und wo geht es aktuell danach weiter und was braucht es darüber hinaus?
Die Trans*Recht-Beratung in Bremen gibt es seit dem Jahr 2013, als bislang deutschlandweit einziges kostenfreies, kombiniertes Angebot von Peerberatung und Rechtsberatung. Was sind typische Anfragen und Bedarfe und was sind konkrete Empowermentansätze in der psychosozialen und Rechts-Beratung?
Qualität in der Beratungspraxis ist unabdingbar: Wie kann Kooperation zwischen mehreren Beratungsstellen und (überregionale) Qualitätsicherung in der Trans*Beratungspraxis gelingen? Worin liegen die Stärken einer intensiven Vernetzung?
K* Stern Heilpraktiker_in für (Körper)Psychotherapie. Mehrjährige Erfahrung in der Trans*Beratung für Trans*Recht e.V. Bremen und für das Magnus-Hirschfeld-Centrum Hamburg. Begleitet und berät Einzelpersonen und Paare in freier Praxis in Hamburg. Gibt Workshops, Seminare und Fortbildungen für trans* und nichtbinäre Menschen, An- und Zugehörige, Fachkräfte und Gruppen zu den Themen Gesundheit, Geschlechtsidentität, Körper, Sexualität und Beziehung. www.praxis-kstern.de| instagram.com/ksternhamburg | facebook.com/ksternhamburg
Workshop 5: transsexuell gegen trans* – warum gibt es in der Trans-Szene so viel Streit?
Wer länger in der deutschsprachigen Trans-Szene unterwegs ist, hat sicher schon erlebt, dass immer mal unvermittelt ein Streit über bestimmte Begriffe oder Formulierungen ausbricht. Die Referent*in möchte im Vortrag vor allem die zwei Strömungen „transsexuell“ und „trans*“ beschreiben und anhand von Beispielen die Unterschiede in den Narrativen und Selbstkonzepten der beiden Begriffe herauszuarbeiten.
Anschließend soll hypothesenartig vorgestellt werden, wodurch diese Unterschiede entstehen und welche politischen Strategien sie bedienen, um in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen Akzeptanz zu erreichen.
In der Diskussion wird gemeinsam überlegt, wie dieser Ansatz genutzt werden kann, um existierende Konflikte in aktivistischen Kontexten zu verstehen und wie weitergedacht trotz vorhandener Unterschiede eine schlagkräftige politische Arbeit möglich sein kann.
Darüber hinaus können auch gern weitere Überlegungen angestellt werden, wie sich dieser Konflikt in anderssprachigen Trans*-Bewegungen zeigt und sich dort möglicherweise Unterschiede oder Parallelen finden lassen.
Workshop 6: Inter* als soziale Kategorie: Zur Notwendigkeit der Reflexion konkreter körperlicher Materie für eine fleshier queer theory.
Dr.in Anja Gregor wird den Verlauf und die Ergebnisse der Biographieforschung mit inter* Menschen vor- und zur Diskussion stellen, die im Rahmen Anja Gregors Dissertation („Constructing Intersex. Intergeschlechtlichkeit als soziale Kategorie) durchgeführt wurde. Anja Gregor hat nach einer Freigabe der Interviews durch die Befragten im Verlaufe der Forschung wiederholt Rückmeldungen zur Interpretation des Materials aus inter* Perspektive eingeholt. Diese Forschung versteht sich damit nicht nur als Beitrag zu einem ‚medizinkritischen Gegendiskurs‘ (Zehnder 2010), sondern wurde als solidarische Forschung (Mecheril) mit dem Anspruch durchgeführt, das Material nicht wiederum ‚auf dem sterilen Seziertisch der Sozialforschung‘ auszuwerten, sondern die Ergebnisse im Dialog mit dem beforschten Feld zu überprüfen.
Inter* wird, entlang der Interviews als untrennbar mit der Entwicklung und Wahrnehmung des eigenen Körpers verbunden, rekonstruiert. Die Auswirkungen der medizinischen Zurichtung von Körpern entlang geltender Geschlechternormen weisen über die rein sprachliche Ebene hinaus und machen den versehrten Körper als Produkt vergeschlechtlichter Normen sicht- und spürbar. Schmerzen, Angst, Sprachlosigkeit und die traumatisierende Dimension des Erlebten bahnen sich ihren Weg in die Erzählung, ohne wortwörtlich erzählbar zu sein.
Die Interviews dokumentieren aber nicht nur die Enteignung des inter* Körpers im Zuge medizinischer Zugriffe und Zurichtungen, sie weisen insbesondere Möglichkeiten der Emanzipation und Wiederaneignung der Selbstbestimmung aus. Anja Gregor hat deshalb am Material entlang ein Modell der inter* Emanzipation von medizinischer Kontrolle und Disziplinierung entworfen, das nach der Erläuterung des Vorgehens und des Verlaufs der Studie zur Diskussion gestellt wird. Zudem wird aus wissenschaftskritischer Perspektive für die Notwendigkeit der theoretischen Reflexion des Körpers argumentiert, um so mit einer ‚fleshier queer theory‘ Inter* in seiner Eigenschaft als sozial äußerst relevante Kategorie gerecht zu werden.
Mittagspause
Zudem befinden sich Infostände von verschiedenen Vereinen auf dem 1. Obergeschoss des Veranstaltungsgebäudes 40 bei den Workshopräumen.
Workshop 7: Ansätze für eine affirmative therapeutische Arbeit mit Trans*Personen und Ihren Angehörigen – Vortrag mit anschließender Diskussion
In der Psychotherapie haben gendernonkonforme, genderqueere und transgeschlechtliche – kurz trans*Behandlungssuchende – aufgrund ihrer gesellschaftlichen Positionierung, spezifische Versorgungsbedürfnisse. Damit erfordert die psychotherapeutische Begleitung dieser Menschen ein Wissen hinsichtlich rechtlicher, psychosozialer und medizinischer Umgangsweisen mit dem Thema, Selbstreflexion der Psychotherapeut*innen hinsichtlich der Bedeutung von Geschlecht und Möglichkeiten der Geschlechtspräsentation, sowie eine therapeutische Beziehungsgestaltung, in der die Psychotherapeut*innen bereit sind, sich auf Unsicherheiten einzulassen und scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen oder in Frage stellen zu lassen. In diesem Vortrag möchte Mari Günther auf die aktuellen Veränderungen des medizinischen und rechtlichen Umgangs hinweisen, sich zur Bedeutung und Tragweite von Selbstreflexion in einer therapeutischen Position äußern und Anregungen für die therapeutische Beziehungsgestaltung geben.
Psychotherapeutisch sowie systemisch therapeutisch und beraterisch tätige Kolleg*innen können Anregungen für die eigene Arbeit gewinnen. Therapiesuchende können ein selbstbewusstes Formulieren ihrer therapeutischer Bedarfe reflektieren. Insgesamt soll zu einer Beziehungsgestaltung in therapeutischen Prozessen eingeladen werden, die von gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Gestaltungsprozessen geprägt ist.
Workshop 8: Zwischen Lebenslust und Bioethik: körpergeschlechtliche Vielfalt und Inter*. Ein Bericht von unterwegs
Im Bereich körpergeschlechtlicher Vielfalt und für Inter* hat sich seit 2010 vieles bewegt. Die Erfahrungen der letzten Jahre und zahlreiche Neuentwicklungen zeigen aber auch: das Thema entzieht sich schlichten Antworten. Authentische Fragen sind hier nicht nur nach wie vor erlaubt. Sie sind auch weiterhin wichtig.
Der Vortrag entführt in ein vielschichtiges Spektrum der Potentiale. Er zeigt, dass selbstbestimmtes Leben mit zahllosen Möglichkeiten und vielen Variablen nicht nur möglich sein darf, sondern eigentlich zur Welt des Lebendigen gehört. In zugänglicher Sprache, teils sehr humorvoll, werden komplexe biologische Zusammenhänge dargestellt und wird von Erlebnissen sowie Projekten im In- und Ausland berichtet. Der Bezug bleibt dabei stets sehr konkret. Das ist auch an die persönliche Verkörperung und Kenntnis der Thematik gebunden.
Wichtige aktuelle Fragestellungen werden einbezogen, die vielerorts noch nie Eingang in die Diskurse fanden. Denn reproduktive Selbstbestimmung wirft auch völlig neue ethische Fragestellungen auf und lässt ein immenses Potential an möglichem, auch rechtlichem Konfliktstoff erahnen. Die Merkmale der Tragödie und der Komödie sind hier im Sinne einer Tragikomödie bestens miteinander verknüpft. Und derweil Menschenrechts- wie Inter*Selbstorganisationen vorwiegend für Operations-Stopp bzw. Operations-Aufschub, mehr Selbstbestimmung, eine medizinethische Aufarbeitung der persönlichen Geschichten aktiv sind, entwickelt sich das Feld der medizinischen Biotechnologien, auch der Pränataldiagnostik mit rasanter Geschwindigkeit. Neue Entwicklungen in Reproduktionsmedizin und Biotechnologie sind wichtige Aspekte, um Menschen Selbstbestimmung oder Selbstversorgung zu ermöglichen. Neue Biotechnologie kann aber auch ein besonderes Hindernis darstellen.
Aktuelle Antworten aus den Lebenswissenschaften können Empowerment befördern, indem fremdbestimmte (biologische) Definitionen und tradierte Ausschlüsse hinterfragt werden. Diese können sich durch dynamischere Variablen ersetzen lassen.
Die anschliessende Diskussion bietet viel Raum, um ins Gespräch zu kommen.
Workshop 9: Geschlechtliche Vielfalt in der Beratung und Bildungsarbeit – ein Praxisbericht aus Sachsen-Anhalt
Seit dem Jahr 2011 bietet das BBZ „lebensart“ in Halle (Saale) psycho-soziale Beratung für trans*- und intergeschlechtliche Menschen und deren Angehörige an. Unsere systemische Fachberatung ist Community-basiert und möchte Selbstbestimmung und Selbstermächtigung der Ratsuchenden fördern. Sie umfasst medizinische, rechtliche und psycho-soziale Aspekte. Von Jahr zu Jahr wird dieses Angebot immer häufiger in Anspruch genommen. Der Vortrag legt die Fragen und Probleme dar, die dabei im Mittelpunkt stehen und klärt, was „Lotsen durch das System“ bedeutet. Zudem werden die Arbeit unserer Gruppen sowie die Profilierung der Beratungs- und Unterstützungsangebote erläutert.
Im zweiten Teil des Vortrages steht die Bildungs- und Aufklärungsarbeit des BBZ „lebensart“ mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu geschlechtlicher Vielfalt im Fokus. Seit vielen Jahren thematisieren wir an Schulen und anderen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt die Varianten des biologischen und psycho-sozialen Geschlechts. Jährlich finden zwischen 60 und 80 Veranstaltungen zu geschlechtlich-sexueller Identität statt, bei denen auch transgeschlechtliche Menschen als Co-Moderator*innen mitwirken.
Nach einem Blick in die Rahmenbedingungen (Qualitätsstandards, Runderlass Sexualerziehung, Fachlehrpläne, Leitsätze Diversität) werden die Inhalte und Methoden bei den Veranstaltungen sowie unsere Erfahrungen mit unterschiedlichen Zielgruppen dargelegt.
Die Teilnehmenden des Kongresses können außerdem Anregungen für unsere Arbeit einbringen und Interesse an der Mitarbeit bekunden.
Gemeinsames Abendessen
Um gemeinsam den ereignisreichen Tag ausklingen lassen zu können, haben wir einen großen Tisch in dem nahegelegenen „Ratskeller Magdeburg“ (Alter Markt 6, 39104 Magdeburg) reserviert. Es kann á la carte gegessen werden.
Eröffnung des Kongresses im Landtag
Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt Anne-Marie Keding laden zur Eröffnung der Wanderausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“ ein. Die Ausstellungseröfnung, welche zugleich unser Kongressauftakt sein wird, findet im Landtag Sachsen-Anhalts (Domplatz 6-9, 39104 Magdeburg), Foyerecke des Ostflügels im Erdgeschoss statt. Der Veranstaltungsort ist barrierefrei und der Eintritt ist kostenfrei. Die Ausstellung wird im Anschluss vom 22. September bis 6. Oktober 2017 im Landtag Sachsen-Anhalts zu sehen sein.
Wir freuen uns, Sie schon am Freitag Abend begrüßen zu dürfen. Lassen Sie uns Ihre Anreise bitte im Anmeldeformular wissen!
Gemeinsames Abendessen
Anschließend ist im Restaurant „Wenzel Prager Bierstuben“ (Leiterstraße 3, 39104 Magdeburg) ein großer Tisch reserviert. Gegessen werden kann à la carte. Das Restaurant befindet sich unweit vom Landtag.
Workshop 10: Geschlechtssensible Gesundheitsversorgung
Gesundheitsversorgung ist für alle transsexuellen, transidenten, transgender und nicht-binären Menschen ein wichtiges Thema. Zum einen bietet die Medizin Behandlungsmöglichkeiten an, die Körperdysphorien weitgehend erfolgreich beseitigen bzw. mildern können. Zum anderen benötigen alle Personen im Laufe ihres Lebens auch allgemeine medizinische Versorgung. Im internationalen wissenschaftlichen Diskurs werden mittlerweile nicht nur die klassischen Themen rund um eine geschlechtsangleichende oder -modifizierende Behandlung thematisiert, sondern auch Themen, wie beispielsweise sexuelle Gesundheit und Kinderwunsch erhalten immer mehr Gewicht. Darüber hinaus rücken Trans*-Menschen auch als vulnerable Gruppe im Hinblick auf „Minority Stress“ in der Gesundheitsforschung in den Fokus. Nicht zuletzt ist die medizinische Versorgung auch Schauplatz von Diskriminierungserfahrungen und -befürchtungen.
2016 wurde von der Bundesvereinigung Trans* ein Policy Paper vorgelegt, welches aus Communitysicht Bedürfnisse und Forderungen an die Gesundheitsversorgung artikuliert. Auf der Basis des internationalen Diskurses und den Ergebnissen des Policy Papers wird vorgestellt, was eine optimale Gesundheitsversorgung aus der Sicht von Trans*-Menschen beinhaltet.
Workshop 11: Wie ein grünes Schaf in einer weißen Herde: Interviews mit jungen Trans*-Menschen
Im Rahmen des bundesweiten Netzwerks Trans*Aktiv, aus dem die „Bundesvereinigung Trans*“ (BVT*) hervorging, wurden 2015 im Rahmen des Projekts “TRANS* – JA UND?!” in mehreren deutschen Städten Medien-Empowerment-Workshops für jugendliche und junge erwachsene Trans*-Menschen angeboten. Im Anschluss konnten die Teilnehmenden an der begleitenden Forschung zusätzlich teilnehmen. Dabei bekamen sie die Möglichkeit, über ihr Selbstverständnis und ihre Lebenssituation zu berichten und ihren Unterstützungsbedarf seitens der Gesellschaft und ihrer Institutionen zu benennen. Das Forschungsprojekt war nach einem partizipativen Ansatz („Community-Based Participatory Research“) von Aktivist*innen aus dem Umfeld der Trans*-Community konzipiert und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den jungen befragten Trans* durchgeführt worden. Die drei Gruppendiskussionen mit insgesamt 15 Personen im Alter von 14–26 Jahren wurden qualitativ ausgewertet und die Ergebnisse den Teilnehmenden im Sinne des Konzepts zur Korrektur und Re-Interpretation vorgelegt. Dabei wurde der Einschätzung der Befragten Priorität eingeräumt, sie behielten das „letzte Wort“.
In den Interviews formulierten die jungen Trans*-Menschen den Wunsch nach einem offeneren Umgang mit dem Thema Trans* in der Gesellschaft, nach der Akzeptanz nicht-binärer Identitäten und nach besonderer Unterstützung von Trans* mit Erfahrung von Mehrfachdiskriminerung. Als bedeutsam wurde soziale Anerkennung benannt, insbesondere durch Verwendung des gewünschten Pronomens und Namens, sowie unbürokratische Unterstützung diesbezüglich durch Institutionen (z.B. Schule, Einrichtungen des Gesundheitssystems). Die Befragten forderten auch die Vereinfachung des Zugangs zu rechtlichen und medizinischen Maßnahmen der Transition. Im Bildungssystem wünschten sie sich mehr Information zum Thema Trans* und Maßnahmen gegen Diskriminierung ab dem Kindergartenalter. Im Bereich der Familie stand der Wunsch nach Akzeptanz ihrer Transidentität und nach Unterstützungsangeboten für die Eltern im Vordergrund. Darüber hinaus formulierten sie den Bedarf nach positiven und diversen Trans*-Vorbildern in den Medien. Als besonders hilfreich empfanden die Befragten die wenigen bereits vorhandenen community-basierten Unterstützungsangebote für junge Trans*, die den Bedarf jedoch noch nicht deckten.
Dr. phil Arn Sauer Geschichtswissenschaftler*in, Politolog*in, Zertifikat „Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“. Promotion zum Thema „Gender-based Analysis and Gender Impact Assessment. Canadian Best Practices for the European Institute for Gender Equality?”. Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Transgender Netzwerkes Berlin (TGNB) und bei TransInterQueer e.V. (TrIQ)
Selbstbestimmung eingeschränkt? – Neue Herausforderungen für die Beratungslandschaft in Mitteldeutschland!
Um die Selbstbestimmung von trans*geschlechtlichen Menschen zu gewährleisten, sollte –unter Beibehaltung der medizinischen Kostenübernahme durch die Krankenkassen – auf psychiatrische Diagnose, Begutachtung durch den MDK und den „Alltagstest“ als Voraussetzungen für den Zugang zu medizinischen Behandlungen verzichtet werden. Um alle Reformvorschläge zu bündeln die in den letzten Monaten in den Bundestag eingebracht wurden, könnte ein Gesetz erarbeitet werden, wie es in Malta im April 2015 verabschiedet worden ist. Weltweit gilt es als das Gesetz, dass sich am engsten am aktuellen Stand der menschenrechtlichen und wissenschaftlichen Debatte um Trans*- und Intergeschlechtlichkeit orientiert.
In den bisherigen Vorlagen an den Bundestag, für eine Reformierung des Transsexuellenrechts, ist immer wieder eine Beratungspflicht gefordert worden, wie sie mit Einführung der Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs (§ 218 StGB) auf die Länder übertragen wurde. Hier ist eine wohnortnahe Beratung den Beteiligten zu ermöglichen. Wir möchten mit Vertreter*innen aus Politik und Öffentlichkeit ins Gespräch kommen, um über Fragen rund um das Was, Warum und Wie zu sprechen. Vor allem stellt die Finanzierung der beteiligten Beratungsstellen, auf Grund der schlechten Finanzlage der Länder, eine bedeutende Herausforderung dar.
Als Auftrag an den 19. Bundestag ist daher zu fordern: Eine TSG-Reform in Anlehnung an den Maltesischen Gender Identity, Gender Expression and Sex Characteristics Act, 2015 kann sich als unbürokratische, dem aktuellen Stand von wissenschaftlichen und Menschenrechtsdebatten berücksichtigende Lösung für Deutschland anbieten. Ein sofortiges Verbot von geschlechtszuweisende, geschlechtsangleichende oder vereinheitlichen Operationen an intersexuellen Kindern, sowie eine zusätzliche Ergänzung um die Aufnahme einer dritten Option als Geschlechtseintrag im Rahmen des deutschen Personenstandsgesetz ist als notwendig zu erachten.
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E-Mail Lio Riske (kein Pronomen): lio.riske (at) trans-inter-aktiv.org | Projektkoordination: Doro Neuhofer (sie): d.neuhofer (at) trans-inter-aktiv.de
Geschäftsstelle Thüringen (Schwerpunkte: Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheit) | Johannesstr. 52, 99084 Erfurt (Eingang Waldenstraße)
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