22.03.2019 | Autor unbekannt

Vornamens-/Personenstandsänderung über PStG statt TSG nutzen

Mit ärztlicher Bescheinigung Geschlechtseintrag und Vornamen nach §45b PStG beim Standesamt ändern: Geändertes Personenstandsgesetz (PStG) statt TSG nutzen!

Am 22. Dezember 2018 ist der neue §45b des Personenstandsgesetzes (PStG) in Kraft getreten. Dieser ermöglicht in Verbindung mit §22, Absatz 3 PStG die Änderung des Geschlechtseintrags und die Vornamensänderung auf viel einfacherem Weg als über das sehr aufwendige und problematische TSG-Verfahren.  Obwohl die Änderung des PStG eigentlich „nur“ für intersexuelle Menschen mit einer DSD-Diagnose gedacht war, ermöglicht der schließlich vom Bundestag beschlossene Gesetzestext, dass §45b PStG von allen, die eine ärztliche Bescheinigung über eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorlegen können, in Anspruch genommen werden kann und darf. Also auch von Personen mit trans*-Hintergrund.

Dabei ist es offenbar möglich den Geschlechtseintrag streichen zu lassen oder eine der drei Optionen „weiblich“, „männlich“, „divers“ zu wählen. An dieser Stelle sei ganz besonders Vanja und der „Kampagne für eine Dritte Option“ sowie der „Aktion Standesamt 2018“ und allen anderen gedankt, die sich für einen dritten positiven Geschlechtseintrag eingesetzt haben und die damit das TSG praktisch überflüssig gemacht haben.
Der LSVD hat einen Ratgeber für inter- und transgeschlechtliche Menschen veröffentlicht, der sowohl rein rechtliche als auch medizinrechtliche Fragen zum PStG behandelt. Zudem hat Bundesanwalt a.D. Manfred Bruns vom LSVD einen ausführlichen Artikel zur Umsetzung des geänderten PStG für die März-Ausgabe der Zeitschrift „Das Standesamt„Seite 2 (StAZ) verfasst.

Und so funktioniert die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nach PStG statt TSG:

Statt des langwierigen, teuren und von vielen als übergriffig empfundenen TSG-Verfahrens mit Antragstellung und Anhörung vor Gericht sowie der Einholung zweier „Sachverständigengutachten“ eröffnet das im Dezember 2018 reformierte PStG ein relativ einfaches beim Standesamt angesiedeltes Verfahren.  Um beim Standesamt den Geschlechtseintrag und Vornamen (sofern gewünscht) nach §45b PStG zu ändern brauchst Du folgendes

1. Ärztliche Bescheinigung über eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ Gehe zu einer ärztlichen Praxis Deines Vertrauen und bitte um eine ärztliche Bescheinigung über eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ nach folgendem Muster:

Ärztliche Bescheinigung: „Bei NAME, geboren am DATUM in ORT, wohnhaft in ORT, STRASSE HAUSNUMMER, liegt eine Variante der Geschlechtsentwicklung vor. DATUM, UNTERSCHRIFT, PRAXISSTEMPEL“

Solch eine Bescheinigung kann sowohl eine hausärztliche Praxis als auch eine Fachpraxis für Endokrinologie, Gynäkologie, Urologie, Psychiatrie etc. ausstellen. Wichtig ist, dass es eine ärztliche Bescheinigung ist.  Bescheinigungen z.B. von nicht ärztlichen Psychotherapeut*innen werden nicht anerkannt. Es gibt Ärzt*innen, die es ablehnen, solch eine Bescheinigung auszustellen. Lokale Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen können Dir weiterhelfen. Gern kannst du dich auch auf unserer Behandler*innen-Liste umsehen, ob Ärzt*innen in deiner Nähe erreichbar sind.

2. Termin beim Standesamt Zuständig ist das Standesamt, in dem Deine Geburt ursprünglich registriert wurde. Die Änderung kann jedoch auch im Standesamt am jetzigen Wohnort vorgenommen werden. Du solltest neben der ärztlichen Bescheinigung noch eine aktuelle Geburtsurkunde (ausgestellt vom Geburtsstandesamt; online zu bestellen; Kosten ca. 10 Euro) vorlegen.

Wichtig: Du must auch einen gültigen Personalausweis vorlegen.
Auf dem Standesamt füllst du ein Formular aus, dass Du den Geschlechtseintrag und Vornamen (sofern gewünscht) nach §45b PStG ändern lassen möchtest und erklärst, welchen Geschlechtseintrag und welche(n) Vornamen vom Standesamt beglaubigt werden sollen.

Fragen zur vorgelegten ärztlichen Bescheinigung, die über die Bescheinigung hinausgehen, brauchst du nicht zu beantworten (z.B. muss keine Diagnose angegeben werden).  Fragen rund um die Bescheinigung brauchst du nicht zu beantworten. (z.B. Sie sind doch trans*, dann gilt die Bescheinigung nicht! – Gegenfrage! Sind sie Ärzt*in um das zu beurteilen?)

Sollte das Standesamt nicht über das Formular 16/655 „Neubestimmung der Geschlechtsangabe und von Vornamen“ des Verlags für Standesamtswesen verfügen, kann auch ohne Formular eine formlose „Erklärung zur Geschlechtsangabe und zur Vornahmensführung“ abgeben werden. Nach §22, Abs. 3 PStG kann man den Geschlechtseintrag offen lassen oder einen der drei Geschlechtseinträge: männlich, weiblich oder divers wählen. Es soll Standesämter geben, die nur ein Offenlassen oder den Eintrag divers zulassen möchten. Der Gesetzestext legt  aber keine „Richtung“ fest. Sollte Deine Erklärung wider Erwarten nicht angenommen werden, so lasse Dir das schriftlich begründen.

In einigen Standsämtern wird dir eine aktenkundige Rechtsbelehrung vorgelegt, welche du unterschreiben sollst. Darauf wird verwiesen, das du wenn eine unrechtmäßige Bescheinigung vorlegst, eine Ordnungsstrafe bis 10TEUR zu erwarten hast und eine Strafanzeige wegen Identitätstäuschung eingeleitet wird. Diese musst du nicht unterschreiben, Zum einen hat der Gesetzgeber klar geregelt das keine Diagnosen auf der Bescheinigung zu stehen haben und er auch nicht explizit transgeschlechtliche Menschen von der Regelung des §45b PStG ausgeschlossen hat. Außerdem täuscht du nicht über dein Geschlecht, sondern nimmst dein Selbstbestimmungsrecht wahr. Einschüchterungsversuche werden uns immer wieder gemeldet, wenn auch nur vereinzelt.

3. Neue Papiere Nachdem Geschlechtseintrag und Vornamen vom Standesamt geändert wurden, kannst Du dir eine neue Geburtsurkunde ausstellen lassen. Diese bietet die Grundlage für die Änderung weiterer Unterlagen. Du kannst nun einen neuen Personalausweis beantragen (der im Gegensatz zum Pass keinen Geschlechtseintrag enthält, daher ist dies nur notwendig, wenn Du auch den bzw. die Vornamen geändert hast).  Um bei Banken, (Sozial)Versicherungen, Schule, Arbeitgeber, Führerschein, Telefonanbieter etc. alles zu ändern kannst legst du deinen neuen oder vorläufigen Personalausweis vor. Deine alte Geburtsurkunde wird in der Regel eingezogen. Alte Verträge gelten grundsätzlich weiter, aber eine Namensänderung wird z.B. von Vermietern oder Telefonanbietern gerne genutzt um zu versuchen einen neuen Vertrag (nicht unbedingt zu Deinen Gunsten) abzuschließen.

Wichtig: Eine Änderung des Geschlechtseintrages und/oder des Vornamen geht allen Sozialleistungsträgern nach DÜVO automatisch zu. Ein Offenbarungsverbot wie in §5 TSG geregelt gibt es im PStG nicht.

Hinweis: Disclaimer: Diese Angaben sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Sie ersetzen keine Rechtsberatung!

Wir danken der BVT* für die Unterstützung bei der Erarbeitung der Texte.

Vielen Dank an alle, die uns ihre Erfahrungen mit Ärzt*innen und Standesämtern etc. zukommen lassen .

Weitere Rückmeldungen gerne an info@trans-inter-aktiv.org